Kalte Herzen by Tess Gerritsen

Kalte Herzen by Tess Gerritsen

Autor:Tess Gerritsen [Gerritsen, Tess]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
ISBN: 9783442358809
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 1996-01-01T23:00:00+00:00


Vierzehn

Jakov hatte seit Jahren nicht mehr von seiner Mutter geträumt, seit Monaten kaum noch an sie gedacht. Deshalb verwirrte es ihn, als er an seinem dreizehnten Tag auf See mit einer so lebendigen Erinnerung an sie erwachte, daß er meinte, ihren Duft noch in der Luft riechen zu können. Das letzte, was er von ihr sah, bevor sein Traum verblaßte, war ihr Lächeln.

Und eine blonde Haarsträhne, die ihre Wange rahmte. Grüne Augen schienen durch ihn hindurchzublicken, als wäre er derjenige, der nicht aus Fleisch und Blut war. Ihr Gesicht war ihm so unmittelbar vertraut, daß er wußte, es konnte nur seine Mutter sein. Im Laufe der Jahre hatte er immer wieder versucht, sich an sie zu erinnern, doch es war ihm nie ganz gelungen, ihr Gesicht heraufzubeschwören. Jakov besaß keine Fotos oder Erinnerungsstücke an sie, doch irgendwie mußte er die Erinnerung an ihr Gesicht all die Jahre in sich getragen haben wie einen Keim im dunklen, aber fruchtbaren Grund seines Herzens. In der letzten Nacht war er endlich aufgeblüht.

Er erinnerte sich an sie, und sie war wunderschön.

An diesem Nachmittag wurde die See glatt wie eine Glasscheibe, und der Himmel nahm dieselbe kalte graue Färbung an wie das Wasser. Jakov, der an Deck stand und über die Reling blickte, hätte nicht sagen können, wo die See endete und der Himmel begann. Sie trieben hilflos in einem riesigen grauen Goldfischglas. Er hatte den Koch sagen hören, daß schlechtes Wetter aufzog und daß morgen keiner mehr irgend etwas anderes als Brot und Suppe würde bei sich behalten können. Heute jedoch war die See ruhig, die Luft schmeckte schwer und metallisch nach Regen. Jakov war es endlich gelungen, Alexei von seiner Koje loszueisen, um mit ihm auf Entdeckungsreise zu gehen.

Zuerst nahm Jakov ihn mit in die Hölle, den Maschinenraum.

Sie durchstreifen die lärmerfüllte Dunkelheit, bis Alexei jammerte, daß ihm von dem Ölgestank übel würde. Alexei hatte einen richtigen Babymagen – dauernd mußte er sich übergeben.

Also nahm Jakov ihn mit auf die Brücke, doch der Kapitän war zu beschäftigt, um sich mit ihnen zu unterhalten, genauso der Steuermann. Jakov fand überhaupt keine Gelegenheit, seinen besonderes Status als regelmäßiger und gerngesehener Besucher zu demonstrieren.

Ihr nächstes Ziel war die Kombüse, aber der Koch hatte schlechte Laune und bot ihnen noch nicht einmal eine Scheibe Brot an. Er hatte eine Mahlzeit für die Passagiere auf dem Achterdeck zuzubereiten, die Leute, die man nie zu sehen bekam.

Die beiden waren einfach zu anspruchsvoll, beklagte er sich, kosteten ihn viel zuviel Zeit und Aufmerksamkeit. Er grummelte vor sich hin, während er zwei Gläser und eine Flasche Wein auf ein Tablett stellte und mit dem Speiseaufzug zu ihren Privatquartieren hinaufschickte. Anschließend wandte er sich wieder dem Herd zu, auf dem Pfannen brutzelten und Töpfe dampften. Als er einen der Deckel anhob, verbreitete sich der Duft von Butter und Zwiebeln. Er rührte den Inhalt mit einem Holzlöffel um.

»Zwiebeln müssen langsam gegart werden«, sagte er. »Dann werden sie süß wie Milch. Um gut zu kochen, braucht man Geduld, aber heutzutage hat ja keiner mehr Geduld. Alle wollen alles sofort.



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